Burgerbibliothek Bern (Hrsg.): Ernst Kreidolf

Cover
Titel
Ernst Kreidolf. Bergzauber und Wurzelspuk


Herausgeber
Burgerbibliothek Bern
Reihe
Passepartout. Schriftenreihe der Burgerbibliothek Bern
Erschienen
Bern 2017: Stämpfli Verlag
Anzahl Seiten
96 S.
von
Charlotte Gutscher

Ernst Kreidolf (1863 – 1956) war gemäss Wikipedia (abgefragt am 1. Oktober 2018) ein «Schweizer Grafiker und Illustrator von Kinderbüchern». Diese Reduzierung auf den Kinderbuchautor ist bezeichnend für die verbreitete Sicht auf das Wirken des Malers Kreidolf. Nicht nur bezüglich seiner Ausbildung, auch im Blick auf sein Leben war er nämlich nicht bloss Grafiker, sondern ein bildender Künstler und Poet (die Texte seiner Kinderbücher stammen meist ebenfalls von ihm), der auf Augenhöhe mit den bekannten Grössen seiner Zeit verkehrte: etwa mit Hans Beat Wieland, Wilhelm Balmer, Cuno Amiet oder Albert Welti.

Der Verein Ernst Kreidolf, der im Buch von dessen Präsidentin Barbara Stark vorgestellt wird, kümmert sich um den reichen Nachlass des Malers. Dem Verein gehört ein grosser Sammlungsbestand, der bereits von Kreidolfs Hauptmäzen Emil Roniger (1883 – 1958) angelegt und immer wieder erweitert wurde. Die Burgerbibliothek verwaltet als Archiv den handschriftlichen Nachlass von Ernst Kreidolf, was den Anlass für die Aufnahme in die Reihe Passepartout gab.

Mehrere Ausstellungen der letzten Jahre in der Schweiz sowie 2012 / 13 auch in Japan versuchten, das Bild des «Kinderbuchillustrators» dahin gehend zu korrigieren, dass die Kunstgeschichte den Blick auf das gesamte Schaffen Kreidolfs richtet, um dem Maler gerecht zu werden. Diesem Ziel war auch die Ausstellung 2017 im Schloss Spiez verpflichtet: Ernst Kreidolf und die Alpen hiess deren Untertitel, der im kunsthistorischen Teil der Publikation aufgenommen wird.

Zunächst stellt jedoch ein umfangreicher Beitrag von Annelies Hüssy: Ernst Kreidolf – Maler, Dichter, Malerpoet, das Leben und Wirken des Künstlers anschaulich vor. Man kann etwa nachvollziehen, wie schwierig es für das Kind Ernst war, nach glücklichen ersten Jahren in der Familie bei seinem autoritären Grossvater aufzuwachsen, wie fordernd und hindernisreich sein Weg hin zu einem Auskommen als Künstler war, wie schwankend seine Gesundheit, wie überlebenswichtig seine Förderer und Freunde. In diesem biografischen Teil erfährt man auch viel über Kreidolf als Künstler. Neben den grossen Erfolgen seiner Bilderbücher (Blumenmärchen 1898, Ein Wintermärchen 1917) gab es auch in diesem Bereich (zeitweise) Misserfolge (Fitzebutze 1900), und es wird deutlich, wie sehr sich der Maler schon zu Lebzeiten darum bemühte, auch als solcher anerkannt zu werden.

Dieser Text ist so vielseitig, dass der zweite Hauptbeitrag von Sibylle Walther, der Kuratorin der Ausstellung in Spiez, in einigen Punkten als Wiederholung erscheint. Es wäre informativer, wenn dieser Teil Ernst Kreidolf und die Alpen statt ebenfalls chronologisch durchgehend thematisch aufgebaut wäre. So fehlt streckenweise der direkte Bezug zwischen dem Beitragstitel, dem Text und dem künstlerischen Werk. Sehr gut ist aber der künstlerische Weg Kreidolfs zu seinen tiefsinnigen Blumen märchen nachzuvollziehen.

Und es wird deutlich: Die Berge spielten im Leben des Künstlers eine grosse Rolle. So entdeckte er nach einer schweren Erkrankung 1889 in Partenkirchen seine künstlerische Bestimmung: seinen neuartigen, botanisch-künstlerischen und zugleich mystischen Zugang zu den Wundern der Natur. 1916 erlebte er in St. Moritz eine produktive Schaffensphase, 1918 im Berner Oberland.

Der qualitativ wie üblich hervorragend gestaltete Bildteil bestätigt, dass der Ruhm Kreidolfs als Buchgestalter trotz allem berechtigt ist: Noch heute erstaunen seine fundierten botanischen Kenntnisse der Blumen, die er zu belebten Wesen machte und in seinen immer noch lesenswerten Gedichten zuweilen lustig, manchmal unheimlich, nicht selten aber auch tieftraurig charakterisierte (z.B. in Der Gartentraum1911).

Zitierweise:
Charlotte Gutscher: Rezension zu: Burgerbibliothek Bern (Hrsg.): Ernst Kreidolf. Bergzauber und Wurzelspuk.(Passepartout. Schriftenreihe der Burgerbibliothek Bern, Bd. 9). Bern: Stämpfli 2017. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 80 Nr. 4, 2018, S. 64-65.

Redaktion
Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 80 Nr. 4, 2018, S. 64-65.

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